Überraschender Fund
Aus den noch bestehenden Akten ist ersichtlich, dass 1892 der Amtsgerichtsdirektor in Emden einen Bauantrag für einen Neubau stellte.
Die Gebäude für das Gericht mit angeschlossenem Gefängnis seien nicht mehr ausreichend, die Ratten fressen die Dielen des Erdgeschosses auf und die Gerüche aus den nur alle 2 Wochen geleerten Fäkalientonnen seien mit der Würde des Amts nicht zu vereinbaren. Man entschloss sich für einen Bauplatz im innerstädtischen Bereich, wenngleich dieses Gelände als Unland bezeichnet wurde. Es handelt sich dabei um ein Gelände, wo noch ca. 1650 die Ems floss, bis diese sich später einen neuen Weg suchte. 1993 bis 1996 wurde das Gebäude vom Staatshochbauamt Emden grundsaniert. Der große Schöffensaal jedoch wurde zunächst vorsichtshalber ausgespart, da er mehrfach verändert erschien und es an originalen Unterlagen mangelte. Im Frühjahr 2001 wurde dem Amtsgerichtsdirektor überraschenderweise ein Päckchen mit originalen Bauakten übergeben. Man hatte in Form eines Staffellaufes die Unterlagen mehrfach weitergegeben, mit dem Ziele, den eigentlichen Absender zu verschleiern. Da muss also jemand wohl ein schlechtes Gewissen gehabt haben. Die Wege gingen u. a. über einen Zahnarzt, einen Rechtsanwalt und deren Kunden. Die Unterlagen enthielten:
Die Berechnung für die ca. 18 m langen Holzpfähle,
die Rechnung für 4 Probepfähle,
die Anmahnung zur Begleichung einer Rechnung an einen Bauführer Grabe (aha!)
und 6 professionelle Fotos im Format 18 x 24 cm.
Zwei dieser Fotos stellen als einzige bekannte Quelle den Originalzustand des Großen Schöffensaales dar. Die Fotos wurden bei einem Fotoladen digitalisiert, nachbearbeitet und auf Diskette gezogen. Da hier nur Vergrößerungen bis DIN A 4 möglich waren, wurde eine Firma für Fototechnik (Branche: Kfz-Werbung) beauftragt, Vergrößerungen im Format DIN A 4 1 herzustellen. Beim Bauamt und im Amtsgericht brach spontanes Entdeckungsfieber aus. Es stellten sich viele Fragen: Ist die mehrfarbige Holzvertäfelung unter den diversen Übermalungen noch intakt? Handelt es sich bei den auffälligen Ornamenten oberhalb der Wandvertäfelung um Malereien oder Tapete? Ist davon noch etwas übrig? Wurde das Bild von Wilhelm II, Deutscher Kaiser, König von Preußen, direkt auf die Wand gemalt oder war es ein demontables Bild? Es wurde kurzfristig das Dezernat für Denkmalpflege der Bezirksregierung Weser-Ems beteiligt und eine restauratorische Befunduntersuchung beauftragt. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass alle technischen Voraussetzungen für eine originalgetreue Wiederherstellung vorliegen. Und wie immer geht es nunmehr um das Auffinden von Mitteln und Wegen dazu.
Mit freundlicher Genehmigung K. Herde, SB Emden