Geschichte des Amtsgerichts
Die Stadterweiterung Emdens bezog um 1900 den Bereich der Emsmauerstraße ein. Dies ist die heutige Ringstraße, in der die Höhere Töchterschule und gegenüber das Amtsgericht mit dem Gefängnis errichtet wurden. Der Baustil war schon 1903 für die Höhere Töchterschule vorgeschrieben und kann ebenso auf die Anlage der Amtsgerichte bezogen werden: "holländische Renaissance im Emder Charakter". Das ehemalige Gymnasium, das heute der Stadtverwaltung dient, ist ebenso erhalten wie das Amtsgericht.
Der Bau des Amtsgerichts und des Gefängnisses beginnt schon mit Planungen des Regierungsbaurats Markers im Juni 1909. Am 7. Juli 1909 wird die baupolizeiliche Genehmigung zum Neubau erteilt. Nachträglich wird die "Umwehrung" des Amtsgerichts beantragt, also das schmiedeeiserne Gitter um das Grundstück, das noch immer erhalten ist. 1911 wurde das Amtsgericht fertig gestellt.
Das Gebäude ist ein dreigeschossiger Ziegelbau auf Natursteinsockel mit einer Sandgliederung, die für die Emder Bauwerke typisch ist. In der Eingangsfassade befinden sich "sprechende Steine".
Ein Rutenbündel mit Laubwerk, ein Symbol für die Rechtsprechung der Antike, ist über den seitlichen Fenstern zu sehen. In der Mitte steht Justitia, die Personifikation des Rechts, im Scheitel der Arkade.
Der Eingang ist ein Sturz-Bogenportal, bei dem ein waagerechter Architrav von einem hohen Bogen überfangen wird. Dies ist eine Bauform der römischen Antike und erinnert an die Prägung deutscher Rechtsprechung durch das römische Recht. Die Ein- und Ausgehenden werden durch die Bauform und die Göttin Justitia steht an ihr juristisches Ideal erinnert. Die Justitia gleicht der Figur, die im inneren Treppenhaus eingefügt ist, ebenfalls mit einer Tafel versehen, die durch die römischen Zahlen I, II und III beschriftet ist. Damit werden die Rechtsbücher angedeutet, die - ähnlich wie die 10 Gebote - den Codex der Gesetze andeuten.
Darüber reihen sich fünf Reliefs mit der Krone in der Mitte, links und rechts davon die antiken Götter Merkur und Minerva, rechts außen ein Schiff und links außen der Walfang. Damit ist die Rechtshoheit des Staates (Krone) verdeutlicht, das Fruchtbringende (Minerva) und Allgegenwärtige (Merkur) des Rechts präsent gemacht sowie der Bezug zur Seehafenstadt Emden gegeben.
Über den seitlichen Fenstern sind kleine gedrehte Halbsäulenvorlagen mit romantischen Würfelkapitellen eingefügt, die an Vorbauten (Ädikulen) erinnern. Darüber sind als Reliefs das Reichswappen und das Emder Wappen angebracht. Beide Wappen werden von jeweils zwei sogenannten "Wilden Männern" gehalten.
Sehr viele kleine Reliefs sind an der Fassade zu sehen, die Krebse und Blattmasken darstellen. Damit wird nicht nur die Nähe zum Meer wiedergegeben, sondern ebenfalls die mittelalterliche Verzierung aufgenommen, wie sie an Portalen von Kirchen und Burgen vorkommt. Unterhalb des klassizistisch anmutenden Architravs im Portal befindet sich in der Mitte das Relief zweier Putten, die ein Wappenfeld mit der Waage, die ebenfalls ein Symbol der abwägenden und gleichbehandelnden Rechtsprechung ist, halten. Darunter ist das Datum der Einweihung des Amtsgerichts zu sehen: "AD 1911".
Mit sehr vielen Zeichen der Gerechtigkeit betritt man das Gebäude, das dem Recht und der Rechtsprechung dient.
Der Innenraum im Erdgeschoss wird durch die Wandbekleidung mit Marmor aufgewertet, wie überhaupt der Materialaufwand und die Ausstattung von unten nach oben abnimmt.